Unterwegs zur 2000-Watt-Gesellschaft

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Die Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen hat die Mitgliedskirchen in Busan/Südkorea (2013) aufgerufen, sich auf eine Pilgerreise zu Gerechtigkeit und Frieden aufzumachen. Der Respekt vor der Schöpfung und der menschlichen Würde ist Teil dieser Pilgerreise. Wenn wir uns auf den Weg zur 2000-Watt-Gesellschaft aufmachen, nehmen wir an dieser Pilgerreise zu Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung teil. Denn mit der Verwirklichung der 2000-Watt-Gesellschaft ermöglichen wir ein gutes Leben für alle Menschen innerhalb der Grenzen der Schöpfung.

Mit dieser interaktiven Plattform zur 2000-Watt-Gesellschaft laden wir Sie herzlich ein, sich von den Menschen in den Kirchgemeinden und kirchlichen Regionen anregen zu lassen, die bereits unterwegs sind. Neben einführenden Texten zur 2000-Watt-Gesellschaft finden sich hier Positivbeispiele von Kirchgemeinden und Einzelnen. Die Sammlung wird laufend aktualisiert.

Vorwort des Synodalrates

Die Überzeugung, dass die Bewahrung der Schöpfung zu den kirchlichen Kernaufgaben gehört, ist in unserer Kirche tief verwurzelt (vgl. Art. 160 Kirchenordnung). Mit „Bewahrung der Schöpfung“ ist gemeint, die Lebensgrundlagen zu erhalten. Die biblische Begründung findet diese Überzeugung im Auftrag an den Menschen, den Garten Eden zu bebauen und zu bewahren (Gen 2,15).

Berechnungen zum ökologischen Fussabdruck der Schweiz zeigen, dass wir seit Jahrzehnten über unsere Verhältnisse leben. Wir übernutzen unsere Lebensgrundlagen. Zu einem grossen Teil ist für diese Situation der hohe Verbrauch an Energie verantwortlich. Der Synodalrat unterstützt darum das Ziel des Bundesrates und der Berner Regierung, langfristig die 2000-Watt-Gesellschaft anzustreben.

Das Ziel der 2000-Watt-Gesellschaft ist nur erreichbar, wenn alle am gleichen Strick ziehen. Auf allen Ebenen sind wir gefordert, unseren Energieverbrauch zu senken, sei dies durch Erhöhung der Energieeffizienz, durch eine verändertes Nutzerverhalten oder das Umsteigen auf erneuerbare Energien. Ziel dieser Handreichung ist es, Kirchgemeinden darin zu unterstützen, einen wesentlichen Beitrag zur Bewahrung der Schöpfung und zum nachhaltigen Umgang mit Energie zu leisten. Ich wünsche mir deshalb, dass die vielfältigen Möglichkeiten und Beispiele möglichst viele Menschen und Institutionen zu konkretem Handeln inspirieren.

Der Synodalrat ermutigt Kirchgemeinden und Kirchenmitglieder, im Rahmen ihrer Möglichkeiten für die Bewahrung der Schöpfung einzustehen. Der Verein oeku Kirche und Umwelt als kompetenter kirchlicher Partner berät und unterstützt Sie im Auftrag der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn gerne dabei.

Pfr. Stefan Ramseier, Synodalrat

Mit allem Geschaffenen leben

Theologisches zum Umgang mit der Schöpfung

Den ersten Satz der Bibel kennen wir alle: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“ Danach wird die Erschaffung der Geschöpfe in sechs Tagewerken erzählt, vom Licht über Wasser und Erde, Pflanzen und Tiere bis hin zum Menschen. Dabei interessiert sich der Text nicht dafür, ob die Erde in genau sechs Tagen erschaffen wurde, etwas anderes steht im Vordergrund: dass diese Erde ein Lebensraum für alles Geschaffene ist, der – so würde man heute sagen – jeder Kreatur eine „ökologische Nische“ bietet, wo sie gut leben kann. Psalm 104 zeichnet dasselbe Bild, diesmal liebevoll ausgemalt mit Details wie die Wildesel, dem Storch, der in der Zypresse nistet, dem Klippdachs im Felsen und dem Wein, der das Herz des Menschen erfreut.

Diese Auffassung der Schöpfung gilt es zunächst einmal wahr- und ernst zu nehmen, vor allen ethischen Überlegungen. In diesen Texten zeigt sich die Schöpfung als eine gute Gabe dieses Gottes, die wir als Menschen dankbar entgegennehmen und an der wir uns freuen sollen. Auch die Geschöpfe neben uns sind in erster Linie als reiche, vielfältige Gaben zu entdecken.

Diese Einsicht ist mehr als die Empfehlung, aufmerksam zu werden für die Schönheiten der Natur und sensibel für ihre feinen Zusammenhänge – das natürlich auch! Wenn Gott der Erschaffer aller Geschöpfe und ihr Erhalter ist, dann heisst dies, dass er für das Wohlergehen all dieser Geschöpfe zu sorgen gedenkt. Gott, so die erste Schöpfungsgeschichte und Psalm 104, hat die Erde nicht als Arena eines Kampfes aller gegen alle geschaffen, sondern als Ort, wo verschiedene Lebewesen nebeneinander leben können. Es gibt offenbar andere Einstellungen der Natur gegenüber, als die, sie sich zu unterwerfen.

 

Konflikte in der Schöpfung

Die Bibel erzählt freilich auch andere Geschichten über die Schöpfung. Schon kurz nach der Erschaffung der Menschen beginnen diese einander brutal zu bekämpfen, so dass Gott sein Schöpfungswerk reut und er eine grosse, zerstörerische Flut über die Erde kommen lässt – die Sintflut, die allein Noah mit seiner Familie und einer Schiffsladung von Tieren überlebt. Nach der Flut schliesst Gott einen Bund mit Noah und dessen Nachkommen. Dieser Bund unterscheidet sich an einem Punkt markant von der guten Ordnung des Schöpfungsberichts. Während dort die Menschen sich vegetarisch, also nicht auf Kosten der Tiere ernährten, wird ihnen jetzt tierische Nahrung erlaubt. Es herrscht von nun an „Furcht und Schrecken“ zwischen Tier und Mensch, mitten im Geschaffenen tut sich ein Riss auf (Genesis 9).

Die Bibel ist weit entfernt von irgendeiner Naturromantik. Sie weiss darum, dass es innerhalb der Schöpfung harte Konflikte gibt, Konflikte, bei denen es um Leben und Tod gehen kann. Wenn wir über unser Verhältnis zum Geschaffenen nachdenken, dann sollen auch wir uns dieser Realität stellen. Es kann nicht darum gehen, ein allseits harmonisches Paradies zu erstreben, ein „Zurück zur Natur“, wo Friede und Freude herrschen. Wir sollen von der Bibel lernen, dass es die Konflikte innerhalb des Geschaffenen nüchtern zu anerkennen gilt. Wenn sich ökonomische und ökologische Ziele, die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Erhaltung einer Magerwiese widersprechen, dann müssen wir dies zuerst einmal gelten lassen.

 

Schuld, Vergebung und Erneuerung

Die Konflikthaltigkeit in der Schöpfung zu anerkennen heisst aber weiter, dass wir unsere eigene Verantwortung für diese Konflikte übernehmen. Auch hier steht aber am Anfang nicht die Aufforderung zum Handeln, sondern das Eingeständnis, dass wir mit unserer Art zu leben am Geschaffenen schuldig geworden sind und dass wir der Vergebung Gottes bedürfen. Bevor Ökologie zum Thema der Ethik wird, hat sie ihren Ort im Gottesdienst und im Gebet.

Und weil sie ihren primären Ort im Gottesdienst und im Gebet hat, wird Ökologie dann umso nachdrücklicher auch zum Thema der Ethik. Wo das Verhältnis zu Gott durch seine Vergebung erneuert wird, wird auch unser Verhältnis zum Geschaffenen – Menschen und aussermenschliche Schöpfung – erneuert. Dabei bekommen wir die Aufgabe, gerade gegenüber dem nichtmenschlichen Geschaffenen uns am gewaltfreien Weg Jesu zu orientieren. Die Unausweichlichkeit von Konflikten einzusehen, bedeutet deshalb für Christinnen und Christen, sie möglichst zu minimieren.

 

Ökologische Ethik in apokalyptischen Zeiten

Nach fünfzig Jahren Diskussion über Umweltschutz, nach unzähligen Aufrufen und Selbstverpflichtungen zu ökologischem Handeln auf individueller und staatlicher Ebene, nach mehreren Berichten des Club of Rome und einer Reihe von Klimakonferenzen fällt die Bilanz ernüchternd aus: Die Belastung der natürlichen Umwelt hat in diesen Jahrzehnten nie ab, sondern stetig zugenommen; je unbestreitbarer die Ergebnisse der Klimaforscher ausfallen, desto entschlossener werden diese von zahlreichen politischen Exponenten bestritten; und die aufstrebenden Industriestaaten fordern ein Recht auf Wohlstand und Verbrauch ein. Angesichts der dramatischen ökologischen und mittlerweile auch der damit zusammenhängenden sozialen Schäden erscheinen die ergriffenen Massnahmen als hoffnungslos ungenügend und sogar die günstigsten Entwicklungsziele als viel zu langsam. Steuern wir nicht auf eine unterdessen unvermeidliche menschengemachte Apokalypse zu? Und welchen Sinn hat es unter dieser Voraussetzung, sich noch für Nachhaltigkeit einzusetzen und dafür, persönliche Einschränkungen in Kauf zu nehmen? Ist nicht auch hier der Gute am Ende der Dumme?

Warum also ethisch handeln? Für die Kirche gibt es dafür drei gewichtige Gründe:

– Die Zukunft bleibt immer offen. Das ist zunächst eine ganz profane Aussage ohne theologischen Gehalt. Sowohl die Entwicklung der Natur als auch diejenige der Technik lässt sich immer nur ungenau vorhersagen, und Entwicklungssprünge sind nicht prognostizierbar. Christinnen und Christen glauben an den Heiligen Geist und damit an eine göttliche Kraft in der Welt, die immer wieder in unvorhergesehener Weise Zukunft eröffnet.

– Christliche Ethik ist Zeugnisethik. Dies will heissen: Das ethische Handeln von Christinnen und Christen ist nicht am Gelingen und am Erfolg orientiert. Wir sollen unsere Feinde lieben, auch wenn wir dadurch selbst zu leiden haben – wir müssen es tun, weil es Gottes Wille ist und Jesu Weg der Liebe entspricht. Dasselbe gilt für unser Verhalten dem Geschaffenen gegenüber. Auch wenn die Zukunft des Geschaffenen düster aussehen mag, bleibt die Kirche dazu verpflichtet, mit ihrem Handeln dafür Zeugnis abzulegen, dass Gottes Schöpfung als guter Ort für alle intendiert ist, dass deshalb alle Kreaturen ein Lebensrecht in ihr haben und dass uns von Gott ein möglichst verträgliches Zusammenleben innerhalb des Geschaffenen geboten ist.

– Christliches Leben will darauf hinweisen, dass alles Geschaffene auf eine letzte Vollendung durch Gott wartet. Paulus schreibt im Römerbrief: „Denn in sehnsüchtigem Verlangen wartet die Schöpfung auf das Offenbarwerden der Söhne und Töchter Gottes“ (Röm. 8,19). Aus dieser Verheissung können wir nicht ableiten, mit der Entwicklung dieser Erde werde es doch nicht so schlimm herauskommen – eine ökologische Katastrophe ist damit nicht ausgeschlossen. Aber Christinnen und Christen haben die Hoffnung, dass auch eine ökologische Katastrophe nicht das Ende der Wege Gottes mit seiner Schöpfung bedeuten würde. Darum brauchen sie auch in apokalyptischen Zeiten das Geschaffene nicht aufzugeben.

Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung (GFS)

Nicht nur in der Gesellschaft, auch in den Kirchen ist seit den 1970er Jahren die zunehmende Umweltzerstörung mit Sorge wahrgenommen worden. Früh wurde darum auch die Frage nach einer in dieser Situation angemessenen Schöpfungstheologie und nach der Umweltverantwortung der Kirchen gestellt. Die deutschen Kirchen haben mit der Anstellung kirchlicher Umweltbeauftragter auf die Umweltkrise reagiert. Auf Weltebene hat der Ökumenische Rat der Kirchen an seiner Vollversammlung im Jahr 1983 angesichts der bedrohlichen Zukunft für die Menschheit die Mitgliedskirchen aufgerufen, in einen konziliaren Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung einzutreten. Öffentliche Breitenwirkung im deutschsprachigen Raum erhielt das Anliegen des „konziliaren Prozesses“ 1985 auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag in Düsseldorf durch den Aufruf des bekannten Physikers und Kulturphilosophen Carl Friedrich von Weizsäcker an die Kirchenleitungen, um der Gefährdung des Überlebens willen ein gesamtchristliches Friedenskonzil einzuberufen. In der Schweiz ist 1986 der ökumenische Verein oeku Kirche und Umwelt gegründet worden. Damit ist in den Schweizer Kirchen eine Struktur geschaffen worden, die sich der Frage der Schöpfungsverantwortung der Kirchen annimmt.

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Grafik von Hans Erni für die Erste Europäische Ökumenische Versammlung in Basel 1989.

Einer der Höhepunkte des Prozesses für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung war die erste Europäische Ökumenische Versammlung in Basel im Jahr 1989. An einer Weltkonvokation in Seoul im Jahr 1990 formulierten die Teilnehmenden in Entsprechung zu den „Zehn Geboten“ „Zehn Grundüberzeugungen“ christlicher Kirchen. Sie fassen zusammen, was Christen gemeinsam zu sozialethischen Fragen sagen können[1]. Die Überzeugung, dass Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung Anliegen sind, die miteinander zusammenhängen und umfassend angegangen werden müssen, ist auch in den Schweizer Kirchen tief verankert (vgl. Art. 160 der Berner Kirchenordnung oder Art. 1,2 der Verfassung der Evangelischen Landeskirche des Kantons Thurgau).

In der ökumenischen Bewegung wird an der Verknüpfung der für unser Überleben wichtigen Herausforderungen bis heute festgehalten. Die Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen hat in Busan/Südkorea im November 2013 die Mitgliedkirchen aufgerufen, sich – bildlich gesprochen – zu einer Pilgerreise für Gerechtigkeit und Frieden aufzumachen. Denn „Gott ist die Quelle allen Lebens. In der Liebe Jesu Christi und durch die Gnade des Heiligen Geistes bewegen wir uns miteinander auf die Verwirklichung des Reiches Gottes zu. Indem wir die Gnade Gottes zu suchen, sind wir aufgerufen – in aller Verschiedenheit – gerechte Statthalter von Gottes Schöpfung zu sein. Das ist die Vision des Neuen Himmels und der Neuen Erde, wo Christus alles in allem erfüllen wird (Eph 1,23).“

Die Vision der 2000-Watt-Gesellschaft kann als säkulare Entsprechungen der kirchlichen Diskussionen über Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung verstanden werden. Indem wir das Ziel der 2000-Watt-Gesellschaft verfolgen, sind wir mit der ökumenischen Bewegung zu Gerechtigkeit und Frieden unterwegs. Denn mit der Verwirklichung der 2000-Watt-Gesellschaft werden zentrale Probleme für das Überleben der Menschheit auf dem Planeten Erde miteinander verknüpft und einer Lösung näher gebracht.

 

Kirchgemeinden, kirchliche Regionen und Kirchen als Orte der Gemeinschaft und des Teilens

Kirchen sind von alters her Orte der Gemeinschaft und des Teilens, vom Teilen von Brot und Wein im Gottesdienst bis zum Mittagstisch, vom Agape-Mahl bis zur Kinderkleiderbörse. In der Verkündigung spielen z.B. die Gleichnisse mit den Speisungswundern eine wichtige Rolle (Mk 6,30-44; Joh 6,1-15; vgl. auch Lk 3,11). In der Apostelgeschichte wird berichtet, dass die Apostel eine Gemeinschaft bildeten, in der das Hab und Gut miteinander geteilt wurden (Apg 2,43-47; sogenannter urchristlicher Kommunismus).

Kirchen sind weltweit vernetzt. Die Werke Brot für alle, das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen der Schweiz HEKS sowie Mission21 organisieren das Teilen auf weltweiter Ebene. Diese Werke arbeiten oft anwaltschaftlich und rufen uns in Erinnerung, dass wir nicht für uns allein Kirche bzw. Christin und Christ sein können. Als Teil einer weltweiten Gemeinschaft tragen wir Verantwortung für das Ganze. Das Leiden in anderen Teilen der Welt ruft uns zur Solidarität und zum Teilen. Heute müssen wir anerkennen, dass zwischen unserem Wohlstand und Konsum und dem Leiden in anderen Weltgegenden Zusammenhänge bestehen. Beispielsweise ist unser Überkonsum v.a. an fossiler Energie mitverantwortlich für die zunehmende Erwärmung des Klimas. Hauptsächlich betroffen vom Klimawandel sind aber arme Menschen im Süden der Welt. Das Engagement für die 2000-Watt-Gesellschaft ist also nicht nur ein Beitrag zur Bewahrung der Schöpfung, sondern auch ein Beitrag zur Schaffung ökologischer Gerechtigkeit. Aus christlicher Sicht kann unser Streben nach einem qualitativ guten Leben von diesen Zusammenhängen nicht absehen. Denn ich lebe nicht für mich allein, sondern bin Teil der Gemeinschaft der Glaubenden und letztlich Teil der Gemeinschaft des Lebens. Indem wir unseren Energiekonsum vermindern, nehmen wir die „Ehrfurcht vor dem Leben“ (Albert Schweitzer) ernst.



[1]            Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Konziliarer_Prozess.

Die 2000-Watt-Gesellschaft kurz erklärt

Die 2000-Watt-Gesellschaft steht für eine nachhaltige und gerechte Gesellschaft. Jeder heute und in der Zukunft lebende Mensch hat Anrecht auf gleich viel Energie. Mit der Realisierung der 2000-Watt-Gesellschaft ist ein gutes Leben für alle Menschen auch in Zukunft möglich.

Die 2000-Watt-Gesellschaft ist eine von Naturwissenschaftlern entwickelte Vision einer Gesellschaft, die die natürlichen Ressourcen schont und allen Menschen das Recht auf ein menschenwürdiges Konsumniveau zugesteht. Dabei soll die gewohnte Lebensqualität erhalten werden. Erreicht werden soll die Vision hauptsächlich durch einen effizienteren Einsatz der Ressourcen. Jedoch wird auch die die Genügsamkeit, das heisst die Suffizienz, eine Rolle spielen müssen.

Aktuell werden die endlichen Ressourcen übernutzt und die Treibhausgase erwärmen das Klima der Erde. Zudem ist der Anteil an Energie, der sinnlos verpufft, grösser als derjenige, der effektive Wirkung erzielt. Der Energiekonsum war bisher eng an die wirtschaftliche Wohlfahrt gekoppelt, d.h. dass die Wohlfahrtsnationen auch sehr viel mehr Energie verbrauchen als die ärmeren Länder. Das Gefälle im Energieverbrauch zwischen den Ländern und Regionen ist riesig. In der Schweiz entspricht der durchschnittliche Primärenergiebedarf 6500 Watt pro Kopf, und der personenbezogene CO2– Ausstoss liegt bei rund 9 Tonnen im Jahr.

Energieverbrauch weltweit im Vergleich

Bildlegende: 2000 Watt – so viel Leistung steht jedem Menschen im globalen Durchschnitt zur Verfügung Information-icon2000 Watt: Kontinuierliche Leistung von zwanzig Glühbirnen (à 100 Watt) oder 1750 Liter Erdöl pro Jahr; um die Jahrtausendwende entsprach dieser Wert dem mittleren globalen Energieaufwand pro Kopf, für den Konsum sämtlicher Energiedienstleistungen. Dem Leistungsmass von 2000 Watt entspricht ein Energieverbrauch von 17 500 Kilowattstunden (kWh) pro Jahr.. Das regionale Gefälle ist aber gross: Einige Hundert Watt sind es in Entwicklungsländern in Asien und Afrika; in der Schweiz 6500 Watt und in den USA bis zu 20-mal mehr. (Quelle: PSI) Aus: Leichter leben. Novatlantis, Juni 2010.

 

Ziel der 2000-Watt-Gesellschaft ist, eine nachhaltige Nutzung der Ressourcen und Energieträger sowie deren global gerechte Verteilung. Global gerecht heisst, dass allen Erdbewohnern gleich viel Energie und gleich viele Treibhausgasemissionen pro Kopf zustehen. Wenn die Lebensqualität in den Wohlfahrtsnationen unter diesem Verbrauchsziel nicht leiden soll, sind die Steigerung der Energie- und Materialeffizienz sowie der verstärkte Einsatz von erneuerbaren Energieträgern zwingend.

Das bedeutet praktisch: Der Energiebedarf muss um den Faktor Drei bis Vier reduziert werden. Und der fossile Anteil ist so weit zu senken, dass sich der Treibhausgasausstoss bei 1 Tonne CO2 pro Kopf und Jahr einpendeln kann[2].

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Bildlegende: Primärenergiebedarf für die einzelnen Konsumbereiche im persönlichen Lebensmodell; Vergleich des Istwerts mit 6300 Watt pro Person (rechte Säule) mit dem Zielwert 2000 Watt pro Person (linke Säule). Aus: 2000-Watt-Gesellschaft: Kurzfassung des Bilanzierungskonzepts. 2012, 4.

 

Warum 2000 Watt?

Der „nachhaltige“ Energieverbrauch ist eine Gratwanderung: sowohl zu viel als auch zu wenig können die Nachhaltigkeit gefährden. Niemand will, dass entwickelte Länder wegen der Verknappung von Energie in die Armut absinken. Umgekehrt soll auch armen Ländern der Weg zu wirtschaftlicher Entwicklung und Wohlstand möglich bleiben. Gleichzeitig darf die ökologische Belastung der Erde nicht zu gross sein. Mit rund 2000 Watt Energie pro Kopf können diese Ziele in Übereinstimmung gebracht werden.

Das heisst, dass der aktuelle Weltenergieverbrauch gerechter auf alle Menschen verteilt und gleichzeitig der fossile Energieanteil gesenkt wird. Mit einem Energieverbrauchsniveau von 2000 Watt pro Kopf ist eine nachhaltige Entwicklung für alle Menschen innerhalb der Tragfähigkeit des globalen Ökosystems möglich. Das Modell der 2000-Watt-Gesellschaft eröffnet eine Zukunftsperspektive für die ganze Schöpfung innerhalb der Grenzen der Belastbarkeit der Erde, vermeidet Verteilungskonflikte um knappe Energie-Ressourcen und dient damit dem Frieden.

Die Schweiz hat in den 1960er Jahren die Schwelle der 2000-Watt-Gesellschaft überschritten. Ein Verbrauch von 2000 Watt bedeutet also nicht, in die Steinzeit zurück zu kehren. Ein gewisser Energieverbrauch ist zulässig und notwendig für die Erhaltung eines guten Lebens. Jedoch lässt sich nachweisen, dass das subjektive Glücksempfinden ab einer bestimmten Einkommenshöhe nicht mehr zunimmt. Ähnlich dürfte es auch mit dem Energieverbrauch sein: ab einem bestimmten Energieverbrauchsniveau nimmt das Wohlbefinden nicht mehr zu. Die 2000-Watt-Gesellschaft zu erreichen erfordert zwar, die Energieverschwendung rigoros zu bekämpfen. Verlangt ist aber nicht unzumutbarer Verzicht, denn die Deckung unserer Grundbedürfnisse bleibt gesichert.

 

Technisch ist der 2000-Watt-Pfad machbar: Eine Analyse von Forschern des ETH-Bereichs hat ergeben, dass der Alltag in Westeuropa auch mit weniger als einem Drittel der heute zur Verfügung stehenden Energie bestritten werden kann. Was es dazu braucht, ist das Anpassen des Konsum- und Nutzungsverhaltens sowie eine energieeffiziente Infrastruktur.

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Grafik inspiriert durch: Greenpeace u.a.: Energieperspektiven 2050. Bern, Zürich, Basel 2006.

 

Zeithorizont: Die Zukunft jetzt anpacken

In der nationalen Klima- und Energiepolitik wird die 2000-Watt-Gesellschaft als langfristige Leitvision verfolgt. In seiner Energiestrategie aus dem Jahr 2006 hat sich der Kanton Bern ebenfalls das Ziel einer 2000-Watt-Gesellschaft gesetzt. Im Jahr 2035 soll als Zwischenziel ein pro Kopf-Verbrauch von 4000 Watt erreicht werden[3]. Einen ähnlichen Weg gehen die Kantone Jura und Solothurn. Die Ziele der 2000-Watt-Gesellschaft sollten insgesamt bis im Jahr 2100 erreicht werden können – Umweltverbände fordern ein forscheres Vorgehen mit dem Zeithorizont 2050, Bundesstellen sprechen vom Jahr 2150[4].

Auch die Kirchen unterstützen das Ziel der 2000-Watt-Gesellschaft. In seiner Energieethik hält der Schweizerische Evangelische Kirchenbund SEK fest, dass eine Energiepolitik mit dem Ziel der 2000-Watt-Gesellschaft seinen ethischen Kriterien am ehesten entspreche: „Zusammenfassend wird hier also die Auffassung vertreten, dass eine auf das Ziel der ‚2000-Watt-Gesellschaft‘ abgestellte Energiepolitik gemäss BFE-Szenario IV sich den ethischen Kriterien am stärksten annähert… Szenario IV, verstanden als politische Option, ist allen übrigen vorzuziehen. “[5] Zu dieser Beurteilung ist der SEK aufgrund seiner Orientierung an den Werten Freiheit, Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit, Beteiligung und Frieden gelangt.

Die Hindernisse auf dem Weg zur 2000-Watt-Gesellschaft sind nicht technischer, sondern wirtschaftlicher, politischer und gesellschaftlicher Natur. Die Umweltverbände halten fest: „Wenn der politische Wille gefasst und das 2000-WattZiel beharrlich verfolgt wird, dann ist bis 2050 ein Energie-Mix von 500 Watt fossiler und 1500 Watt erneuerbarer Energie erreichbar. Es sind keine physikalischen oder technischen Schranken erkennbar, die es verunmöglichen das 2000-Watt-Ziel zu erreichen.“[6] In der Energieethik des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes SEK wird die Forderung, die 2000-Watt-Ziele bis 2050 zu verwirklichen, als pädagogische Provokation verstanden: „Eine Debatte über ferne Zielgeraden bliebe vermutlich äusserst vage – denn eigentlich geht es um unsere Fähigkeit, uns hier und jetzt dazu zu entschliessen, das zu tun, was getan werden muss.“[7] Ein möglichst rasch beginnender, aber auf Jahrzehnte verteilter Umbau unserer Energieversorgung ist volkswirtschaftlich sinnvoll, hält auch die Schweizerische Akademie der Technischen Wissenschaften fest[8].

Weitere Informationen zur 2000-Watt-Gesellschaft finden sich auf der Homepage: www.2000watt.ch

 


[1]             2000 Watt: Kontinuierliche Leistung von zwanzig Glühbirnen (à 100 Watt) oder 1750 Liter Erdöl pro Jahr; um die Jahrtausendwende entsprach dieser Wert dem mittleren globalen Energieaufwand pro Kopf, für den Konsum sämtlicher Energiedienstleistungen. Dem Leistungsmass von 2000 Watt entspricht ein Energieverbrauch von 17 500 Kilowattstunden (kWh) pro Jahr.

[2]            In der aktuellen klimapolitischen Diskussion fordern Nichtregierungsorganisationen inzwischen, dass die Industrieländer ihren CO2-Ausstoss bis 2050 sogar um 100 Prozent senken. D.h. dass die Energieversorgung bis 2050 vollständig aus erneuerbaren Energien erfolgen muss, damit die globalen Klimaziele erreicht werden können. Die dänische Regierung verfolgt in ihrer Klimapolitik genau dieses Ziel: http://www.ens.dk/sites/ens.dk/files/policy/danish-climate-energy-policy/danishclimatepolicyplan_uk.pdf

[3]            Vgl. Regierungsrat des Kantons Bern: Energiestrategie 2006

[4]            Vgl. Leichter leben. Novatlantis, 2010, 8. Greenpeace u.a. (Hg.): Wegweiser in die 2000-Watt-Gesellschaft (Energieperspektiven 2050 – Kurzfassung). Bern, Zürich, Basel 2006.

[5]            Otto Schäfer: Energieethik – Unterwegs in ein neues Energiezeitalter. SEK Studie 1, Bern, 2008, 148f.

[6]            Greenpeace u.a. (Hg.): Wegweiser in die 2000-Watt-Gesellschaft (Energieperspektiven 2050 – Kurzfassung). Bern, Zürich, Basel 2006, 8.

[7]            Otto Schäfer: Energieethik – Unterwegs in ein neues Energiezeitalter. SEK, Bern, 2008, 148.

[8]            Vgl. SATW: Road Map Erneuerbare Energien Schweiz (SATW-Schrift Nr. 39). Zürich, 2006, 5.

2000-Watt-Gesellschaft realisieren

 

Das Motto auf dem Weg zur Verwirklichung der 2000-Watt-Gesellschaft ist im Grunde „Darf’s es bitzeli weniger sy?“ wie Toni Püntener, Leiter der Abteilung Energie und Nachhaltigkeit der Stadt Zürich, in den oeku-Nachrichten 4/2014 (Seiten 4f) dargelegt hat. Bei der Verwirklichung der Ziele der 2000-Watt-Gesellschaft ist die gesamte Gesellschaft bis hin zu jedem und jeder Einzelnen gefordert. Die Ziele sind nur erreichbar, wenn die Massnahmen auf allen Ebenen umgesetzt werden. Bei Infrastrukturprojekten und den gesetzlichen Rahmenbedingungen sind vor allem die Politik und die öffentliche Hand gefordert. Kantonen und Gemeinden kommt auch als Gebäudeeigentümer eine Vorbildfunktion zu, was die Sanierung der Gebäudehüllen und die Nutzung erneuerbarer Energie anbelangt.

Der Weg zum Ziel

Grafik aus: Greenpeace u.a. (Hg.): Wegweiser in die 2000-Watt-Gesellschaft (Energieperspektiven 2050 – Kurzfassung). Bern, Zürich, Basel 2006.

Für die Realisierung der 2000-Watt-Gesellschaft  werden hauptsächlich drei Strategien vorgeschlagen, Effizienz, erneuerbare Energien und Suffizienz, bzw. Genügsamkeit. Keine dieser Strategien kann für sich alleine zum Ziel führen. Sie müssen kombiniert werden.

 

1. Effizienz

Die wichtigste Strategie auf dem Weg zur 2000-Watt-Gesellschaft ist die Durchsetzung einer höheren Energieeffizienz. Dabei geht es darum, aus der vorhandenen Energie mehr herauszuholen. Dafür braucht es beispielsweise Mindestvorschriften für Geräte, die in den Verkauf gelangen und/oder das Ersetzen nicht effizienter Geräte, Motoren und Heizungen sowie strengere Wärmedämmvorschriften für Gebäude.

 

2. Erneuerbare Energien

Mehrheitlich Zustimmung findet in der Gesellschaft inzwischen die Förderung der erneuerbaren Energien. Gemeint ist damit beispielsweise die Verwendung von Holz oder Biomasse zur Wärmeerzeugung, der Einbau von Sonnenkollektoren zur Wärme- und Stromproduktion oder die Windkraft.

 

3. Suffizienz oder Genügsamkeit

Auf der politischen Ebene wenig salonfähig ist die Genügsamkeit, d.h. eine sparsame Lebensweise mit wenig Energieverbrauch und weniger materiellen Gütern. Eine solche Lebensweise widerspricht offenbar dem Streben nach Wachstum und der kontinuierlichen Steigerung des Wohlstandes. Wer genügsam und mit weniger materiellen Ansprüchen lebt, ist aber oftmals zufriedener und in Einklang mit sich selber. Konkret kann es hier beispielsweise darum gehen, auf ein Auto zu verzichten, die Heiztemperatur in der Wohnung etwas tiefer zu halten und die Ferien in der näheren Umgebung zu geniessen. In der Stadt Zürich ist das Ziel der 2000-Gesellschaft in der Gemeindeordnung verankert. Ganz vorne in der Strategie der Stadt steht die Suffizienz (vgl. oeku-Nachrichten 4/2014, Seite 4-5).

Eine Suffizienzstrategie, die vor allem unter jungen Leuten an Popularität gewinnt, ist das Teilen (engl. sharing). Denn mit dem zunehmenden Wohlstand werden immer weniger Dinge gemeinsam und immer mehr einsam konsumiert. Wo beispielsweise früher eine gemeinsame Waschmaschine im Mehrfamilienhaus stand, ist heute praktisch jede Wohnung mit einer Waschmaschine inklusive Tumbler ausgerüstet. Beschränkte Ressourcen sowie stagnierende und schrumpfende Einkommen könnten uns bald zwingen, aus weniger mehr zu machen, und dies geht nur, wenn wir wieder mehr teilen. „Teilen ist der smarteste, sozialste und schnellste Weg, um den Ressourcenverbrauch zu vermindern… Eine sparsamere Nutzung von Ressourcen kann so bereits heute umgesetzt werden, und nicht erst in Jahrzehnten, wenn die ganze Wirtschaft auf Green- und Cleantech umgerüstet hat.“[1] Der Erfolg von Internet-Plattformen wie Ebay oder Ricardo zeigen, dass dies einem weit verbreiteten Bedürfnis entspricht.



[1]            Karin Frick, Mirjam Hauser, Detlef Gürtler: Sharity – Die Zukunft des Teilens. GDI-Studie Nr. 39 / 2013, 30.

Was Kirchen tun können

Kirchen haben Vorbildfunktion

An erster Stelle ist sicher wichtig, dass in den Kirchgemeinden durch das ganze Jahr eine schöpfungsbezogene Spiritualität gelebt wird. Denn diese Spiritualität prägt die Gemeindeglieder und ist gleichzeitig eine Vorbereitung auf die Konkretisierung und Umsetzung ökologischer Anliegen – in der Kirchgemeinde oder auch im persönlichen Umfeld. Eine wichtige Zeit kann die sogenannte SchöpfungsZeit vom 1. September bis zum 4. Oktober werden. oeku Kirche und Umwelt stellt jährlich Unterlagen zur Feier von Gottesdiensten und weiteren Anlässen für die SchöpfungsZeit zusammen. Refbejuso fördert mit seinem Engagement in den Naturpärke und in der Kinder- und Jugendarbeit das Erleben der Natur.

Damit es nicht nur bei Worten bleibt, sollten Kirchen und Kirchgemeinden in der Praxis eine Vorbildfunktion wahrnehmen. Zudem können sie sich im unterstützenden Sinn zu energiepolitischen Abstimmungsvorlagen mit dem Ziel der 2000-Watt-Gesellschaft äussern. Auf kantonaler Ebene hat dies beispielsweise der Synodalrat der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn getan, indem er im Frühjahr 2013 empfahl, den beiden Vorlagen „Bern erneuerbar“ zuzustimmen. Sie hatten zum Ziel, im Kanton Bern bis zum Jahr 2050 den Strom und die Energie für Heizung und Warmwasser vollständig aus erneuerbaren Energiequellen zu decken.

Energieeffizienz in Gebäuden

Zur Energieeffizienz können Kirchgemeinden und Kirchen einen wichtigen Beitrag leisten, indem sie beispielsweise Gebäude besser isolieren und gezielter und nur auf Anlässe hin heizen. Da in Kirchgemeinden kaum neu gebaut wird, und der Gebäudebestand z.T. seit Jahrzehnten und Jahrhunderten unverändert ist, sind deren Möglichkeiten beschränkt. Das Ziel der 2000-Watt ist eine Herausforderung für den Betrieb und Unterhalt älterer und oft historischer Liegenschaften. Historische Gebäude haben schon existiert, bevor wir den heutigen Energieverbrauch hatten. Das Problem ist darum vielfach nicht der energetische Zustand der Gebäude, sondern unsere heutigen Ansprüche als NutzerInnen. Oft kann es sinnvoller sein, ein wertvolles und denkmalgeschütztes Gebäude nicht anzutasten und dort so Gottesdienst zu feiern, wie es auch frühere Generationen getan haben: in Winterschuhen, und warmem Mantel. So sind auch historische Gebäude tauglich für die 2000-Watt-Gesellschaft.

Falls dennoch energetische Massnahmen ergriffen werden sollen, wird es nur in wenigen Fällen möglich sein, den Standard der 2000-Watt-Gesellschaft zu erreichen. Mit gezielten Massnahmen im Betrieb ist dennoch viel möglich: Senken der Heiztemperatur, gezieltes Heizen auf Anlässe hin und eventuell auch der komplette Verzicht auf die Beheizung oder an kalten Tagen die Verlegung des Gottesdienstortes. Die Beratung durch einen externen Energieexperten kann bei der Suche nach der richtigen Entscheidung helfen. Refbejuso unterstützt Gebäudeanalysen in Kirchgemeinden finanziell.

Vgl. oeku, Brot für alle, Fastenopfer: Energie sparen und Klima schützen. Ein Leitfaden für Kirchgemeinden und Pfarreien, Bern, 2. Auflage 2013 .

Erneuerbare Energien

Auf kirchlichen Gebäuden ist die Einrichtung von Solaranlagen für die Warmwasseraufbereitung oder die Produktion von Solarstrom grundsätzlich möglich und sinnvoll, sofern die Dachausrichtung stimmt und die Vorgaben des Denkmalschutzes berücksichtigt werden. Solare Warmwasseraufbereitungsanlagen sind sinnvoll auf Pfarrhäusern und Kirchgemeindehäusern. Solaranlagen sind ein Zeichen nach aussen, dass sich die Kirchen an der Energiewende beteiligen. Wo es nicht möglich ist, Solaranlagen auf kirchlichen Gebäuden zu installieren, bleibt als Lösung der Bezug von Ökostrom. Um von fossiler Energie weg zu kommen, kann auch der Wechsel auf eine Pellet-Heizung oder der Anschluss an einen Wärmeverbund sinnvoll sein. Refbejuso stellt bis 2015 Fördergelder für Solaranlagen auf kirchlichen Gebäuden zur Verfügung. Auf derselben Webseite findet sich ein Leitfaden für Solaranlagen.

Genügsamkeit

Den wichtigsten und substantiellsten Beitrag können Kirchgemeinden wahrscheinlich zur dritten Strategie für die 2000-Watt-Gesellschaft leisten, der Suffizienz, bzw. der Genügsamkeit. Dies nicht nur beim Betrieb der eigenen Gebäude sondern auch bei spirituellen Angeboten und weiteren Veranstaltungen vor Ort. Sie können den Blick auf das Wesentliche lenken: was macht unser Leben aus, was ist der Sinn unseres Lebens und welche Verantwortung tragen wir für die Zukunft. Zudem tragen sie mit ihren lokalen und regionalen Veranstaltungen dazu bei, dass Menschen Kulturangebote an ihrem Wohnort oder in der Nachbarschaft wahrnehmen. Zusätzlicher Verkehr kann so vermieden werden.

Ebenso haben in Kirchgemeinden Kleiderbörsen und Basare Tradition. All diese Anlässe sind Ausdruck gemeinschaftlichen Lebens: Güter und Dienstleistungen werden ohne kommerzielle Absicht geteilt und getauscht. Diese Kultur des Teilens kann im Blick auf die 2000-Watt-Gesellschaft belebt werden, indem Kirchgemeinden, neue Angebote des Teilens und des Austausches auf lokaler Ebene organisieren.

Chouf nüt Tag am 24. Dezember
In der Tradition der Genügsamkeit ist in Kanada und den USA der sogenannte „buy nothing day“ enstanden, denn das Beste im Leben ist gratis! Der „Chouf nüt Tag“ wird heute international am 24. Dezember begangen und in der Schweiz von freikirchlichen Kreisen propagiert.

Chouf nuet Tag

Regionale Produkte berücksichtigen und eine fleischarme Küche pflegen

Das gemeinsame Essen spielt im Leben unserer Kirchgemeinden eine wichtige Rolle. Tradition hat in vielen Kirchgemeinden Kaffee und Tee aus dem fairen Handel – vielfach auch gleich mit Biolabel. Ob beim Suppenzmittag, dem regelmässigen Mittagstisch oder dem Freiwilligenabend: all dies sind Gelegenheiten, auch beim Essen auf regionale und biologische Herkunft zu achten und nach Möglichkeit fleischlose Gerichte anzubieten, z.B. an einem „Vegitag“.

Denn für den „Energiefussabdruck“ unseres Essens ist entscheidend, ob und wie viel Fleisch auf den Teller kommt. Zudem sorgen Saison- und Freilandprodukte aus der Region für kurze Transportwege. Weniger Fleisch zu essen ist mehr als eine tierschützerische Forderung. Bei der Umwandlung von pflanzlichen in tierische Kalorien gibt es einen Verlust von 90 Prozent. Je weniger Fleisch wir verzehren, desto weniger Fremdenergie steckt in unserem Essen. Auf Fleisch zu verzichten, mag eine vernünftige Empfehlung sein. „Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist fein“ beschrieb die Zeitschrift reformiert im September 2009 das Dilemma treffend. Dass Vegi auch besser schmeckt, ist letztlich eine Herausforderung an unsere Kochkünste!

Saison-und Vegi-Rezepte finden sich beispielsweise bei: www.saison.ch und www.gutekueche.ch

Beschaffung

Genügsamkeit ist auch bei der Beschaffung von Geräten in Kirchgemeinden ein Thema. Beschafft werden sollten energieeffiziente und langlebige Geräte und natürlich nur so viele wie nötig. Richtlinien für nachhaltige Beschaffung finden sich bei der Interessengemeinschaft ökologische Beschaffung Schweiz www.igoeb.ch und beim Kompass Nachhaltigkeit. Mit „Zukunft einkaufen“ gibt es in Deutschland eine Aktion für die Ökofaire Beschaffung in den Kirchen. Einen Überblick gibt die Sammlung mit Positivbeispielen „Zukunft einkaufen wirkt„.

Veranstaltungen

Beim Durchführen von Veranstaltungen werden verschiedene Ressourcen benötigt. Neben finanziellen
Mitteln und Personal werden auch Umweltressourcen beansprucht. Die Schweizerische Evangelische Allianz hat einen Leitfaden zur Minimierung der Umweltbelastung von kirchlichen Veranstaltungen herausgegeben: Veranstaltungen organisieren und auf die Umwelt Rücksicht nehmen. SEA-Dokumentation Stellungnahme Nr. 101, Zürich, 2010.

Selbst aktiv werden

Das Lebensmodell und der persönliche Alltag bestimmen die Energiebilanz wesentlich mit.

„Wir müssen effizientere Technologien einsetzen, um gleichen Nutzen mit weniger Aufwand zu erzielen. Und wir müssen unsere Vorstellung von einem «guten Leben» überdenken. Jeder sollte für sich herausfinden, welcher «Überkonsum» ihm besonders viel gutes Lebensgefühl gibt. Diesen kann man pflegen und anderen bewusst weglassen. Das Ziel sollte eine ausgewogene Balance zwischen Lust und «Verzicht» sein. Die heutige Wegwerfmentalität und die Tiefpreismobilität stellen jedenfalls keine zukunftsfähigen Lebens entwürfe dar. Wir haben nur einen Planeten, und der wird bereits heute übernutzt.“[1]

Der individuelle Handlungsspielraum ist beachtlich, wie der nachfolgende Kurzfilm zeigt. Mission 2000-Watt: Eine Wohngemeinschaft in Deutschland versucht, das 2000-Watt-Ziel zu erreichen (Kurzfilm, 13 Minuten aus der Sendereihe Galileo vom 14.01.2014).

Der persönliche Energieverbrauch lässt sich mit dem Online-Rechner von EnergieSchweiz oder dem Energiespiel der Stadt Zürich einfach eruieren.

Die wichtigsten Bereiche für einen schonenden Umgang mit Ressourcen sind Gebäude/Wohnen; Mobilität; Ernährung und Konsum.

Gebäude/Wohnen: eine moderate Wohnfläche von unter 50 m2 pro Person, vorzugsweise in einem Gebäude mit Niedrigenergiestandard (zum Beispiel Minergie); Wohnraum teilen (www.airbnb.ch; www.couchsurfing.com; Untermiete ist dem Vermieter bekannt zu geben).

Wohnen

 

Mobilität: Nach Möglichkeit kurze Wege zur Arbeit und in die Ferien wählen, vorzugsweise mit dem öffentlichen Verkehr, dem Velo oder zu Fuss reisen. Mit dem Auto Mitfahrgelegenheiten nützen oder anbieten:  www.mitfahrangebot.ch; sich für Mobility statt eigenen Wagen entscheiden, Parkplatz teilen. Möglichst wenig fliegen und wenn es trotzdem nicht anders geht, den CO2-Ausstoss kompensieren bei www.myclimate.ch; klima-kollekte.ch oder mit einer Einzahlung in den Klimafonds von Brot für alle (PC-Konto 40-984-9, Vermerk Spezialfonds „Klima und Entwicklung“).

Mobilität

 

Ernährung: Nachhaltig und fair essen. Bei den Lebensmitteln auf biologische und regionale Herkunft achten. Den Menuplan nach dem saisonalen Angebot richten. Fleisch auf zwei Mal pro Woche reduzieren. Direktvermarktung oder Vertragslandwirtschaft unterstützen: www.kuhleasing.ch; www.radiesli.org; www.soliterre.ch; www.slowfoodyouth.ch.

Ernährung

 

Konsum: Die Kaufkraft beeinflusst die persönliche Energiebilanz im Alltag. Denn in den konsumierten Gütern steckt sogenannte „Graue Energie“. Das ist die Energiemenge, die für Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung eines Produktes benötigt wird. Im Einzelfall kann der rege «ökologische» Konsum sogar mehr Energieressourcen beanspruchen als ein bescheidener, aber «unökologischer» Konsum.

Handlungsmöglichkeiten: Weniger konsumieren; Kleider und Schuhe möglichst lange tragen. Einrichtungsgegenstände und Möbel erst ersetzen, wenn sie nicht mehr funktionstüchtig sind. Elektronische Geräte nur anschaffen, wenn sie langlebig und effizient sind. Geräte und Gegenstände nach Möglichkeit gemeinsam nutzen, nicht mehr benötigte Gegenstände in den Kreislauf zurückgeben: Bibliotheken, Kleiderbörsen, Velobörsen, Brockenstuben und Sharing-Angebote nutzen, am Berner Bring- und Holtag teilnehmen.

Konsum


[1]  Wir müssen unsere Vorstellung von einem «guten Leben» überdenken. Interview mir Dr. Andreas Sturm zur 2000-Watt Gesellschaft im Kundenmagazin «Saft & Kraft» (4/09) der Elektrizitätswerke des Kantons Zürich (EKZ).