2. Juni, 2025 –
Grüner Güggel, Umweltpolitik

Grüner Güggel und Künstliche Intelligenz (ein Gastbeitrag)

Die evangelisch-reformierte Kirchgemeinde Eglisau (ZH) durchläuft gerade die 10 Schritte, um das kirchliche Umweltlabel „Grüner Güggel“ zu erhalten. Andreas Weber ist Pfarrer in Eglisau und interessiert am Thema Energie. Er weist darauf hin, dass die Nutzung von Künstlicher Intelligenz einen grossen Stromverbrauch verursacht, und vermisst die Thematik beim Grünen Güggel.

Seinen lesenswerten Gastbeitrag zum Thema „Grüner Güggel und Künstliche Intelligenz“ geben wir hier ungekürzt wieder.
Im Anschluss eine kurze Replik der oeku.

Foto: heute.at/getty images

Grüner Güggel und KI

Kirche soll ökologisch sein. Das leuchtet ein. Detailliert bis zum Putzmittelgebrauch und Bienenweide unterstützt oeku die Kirchgemeinden und Pfarreien im Umweltmanagement. Zentral ist der Energieverbrauch. Hier öffnet sich ein Spannungsfeld. Denn: Kirche soll digital anschlussfähig sein. Das ist auch ein Energiethema. Noch kräht der Grüne Güggel dazu nicht.

Spätestens seit März 2023, als ChatGPT 4.0 zugänglich gemacht wurde, ist KI präsent. Die Internationale Energieagentur schätzt, dass sich der Strombedarf von KI-Technologien bis zum Jahr 2026 verzehnfachen wird. Wenn die nach Amtsantritt von Trump angekündigte Investition in Rechenzentren von 500 Mia Dollar keine warme Luft war, wird das keine Phantasiezahl sein. Zum enormen Energiebedarf kommt ein erheblicher Wasserbedarf zur Kühlung der Prozessoren hinzu. Als Bsp. das Google-Rechenzentrum in The Dalles am Columbia River in Oregon, wo ein Drittel des Wassers am Ort von Google verbraucht wird.

Was «Künstliche Intelligenz» genannt wird, ist die algorithmische Datenverarbeitung einer noch nie dagewesenen Menge von Daten. Das Internet wurde dafür fraglos leergegrast. Der Technofeudalismus der Weltkonzerne nutzt seine Macht schneller als Staaten Regulierungen beschliessen. Dagegen hat die Kirche nie hörbar die Stimme erhoben. Eher wurde ermutigt, auf sämtlichen Socialmedia-Plattformen präsent zu sein und mit Fotos, Videos und Berichten die Clouds zu füllen. Das Internet wächst mit 33% pro Jahr. Nun ermöglicht uns KI, aus den immensen Datenmassen mit viel Strom und Wasser die Kreativ- und Denkarbeit von einem Rechner betreuen zu lassen oder gar zu delegieren. Für die sich stellenden philosophischen Probleme der Brain-Hack-Industrie ist hier nicht der Ort.

Die Schweiz hat mit rund 100 Rechenzentren europaweit am meisten Rechenplatz pro Kopf. Alps, das grösste darunter, das u.a. für Forschungszwecke genutzt wird, kostet die Steuerzahler:innen täglich zwischen CHF 40’000- und 50’000 an Stromkosten. Soviel Energie brauchen die 10’700 darin verbauten Nvidia-GPUs, zehnmal soviel wie normale Computerprozessoren. Für die Forschung mag es das wert sein. Jedoch: Generative KI-Modelle verbrauchen wegen der vielen Nutzer:innen viel mehr Energie als Alps, und das ohne Fortschritt für die Menschheit. Bequemlichkeit war dem Menschen schon immer eigen. Die Werbung läuft von selbst. Unaufgefordert legen nicht zuletzt die Ü65 fröhlich Zeugnis ab, wie sie ihre Mails von Open-Source-LLMs schreiben lassen und Prompts ausprobieren, stolz, mit der neuen Technik umgehen zu können.

Während die ersten «KI-frei» Labels auftauchen, sind in der tendenziell langsamen Kirchenlandschaft Workshops zur Verwendung von KI angesagt. Kirchen machen Fundraising für Solaranlagen, damit die stromfressenden Rechner für uns Texte generieren, die selber zu schreiben mit der Energie eines Sandwichs unsere Denkfähigkeit trainiert hätte.

«Selber Denken» – einst ein reformierter Werbeslogan – tut unterdessen auch aus ökologischen Gründen not.

Andreas Weber, evang.-ref. Pfarrer, Eglisau

Quellen:

  • NZZ Berichterstattung; iea.org; swissinfo.ch; u.a.;
  • Gaspard Koenig, Das Ende des Individuums. Reise eines Philosophen in die Welt der Künstlichen Intelligenz 2021;
  • Kate Crawford, Atlas der KI. Die materielle Wahrheit hinter den neuen Datenimperien 2024.

 

Replik:
Besten Dank für das Aufzeigen des enormen Stromverbrauchs durch die Nutzung von Künstlicher Intelligenz und den Appell als Kirche wachsam und kritisch gegenüber gesellschaftliche Neuerungen zu bleiben! Prüfet alles – das Gute behaltet. Dieser Vorsatz gilt auch in ökologischer Hinsicht.
Der Grüne Güggel als Umweltmanagement kräht nicht direkt „Achtung KI“, sondern weist Kirchgemeinden an, ihren ökologischen Fussabdruck anzuschauen und selber zu entscheiden, in welchen (direkten und indirekten) Bereichen Verbesserungen möglich und nötig sind. Ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess – angefangen bei den „grössten Hebeln“ – ermöglicht der Grüne Güggel und entspricht so den Vorgaben von EMAS, dem europäischen Umweltmanagementsystem. EMAS-Konformität ist die Basis der Kirchlichen Umweltlabels Grüner Hahn, Grüner Gockel und Grüner Güggel.