Peter Hersche: Max Weber, die Ökologie und der Katholizismus
Schwabe-Verlag, Basel, 2021
Der Historiker Peter Hersche hat sich mit der Frage nach der ökologischen Sensibilität von Max Weber und dessen Verhältnis zum Katholizismus auf kaum erforschtes Terrain begeben. Aus der umfangreichen Korrespondenz Max Webers zieht Hersche Schlüsse zu dessen Lebenswandel und dessen Einschätzung zeitgenössischer gesellschaftlicher Strömungen. So hat Max Weber die naturzerstörerischen Auswirkungen kapitalistischer Produktion wahrgenommen. Ebenso hatte er Kontakt mit der Gegenbewegung der Lebensreform und der im 19. Jahrhundert aufkommenden erotischen Bewegung. Im Kapitel «Katholische Mentalität versus Protestantische Ethik» beurteilt Hersche die Katholische Kirche als widerständig gegenüber dem Geist des Kapitalismus. Während die ökologische Bewegung in protestantischen geprägten Gegenden als Gegenreaktion zu den Auswüchsen des Kapitalismus entstand, bremste die katholische agrarische Mentalität die ökologische Zerstörung bis weit ins 20. Jahrhundert. Als Gegenbeispiel sieht Hersche das moderne Brasilien. Während der lateinamerikanische Katholizismus mit der Befreiungstheologie und der Enzyklika Laudato si sich ökologischen Fragen geöffnet hat, treiben von den wachsenden protestantischen Freikirchen getriebene Politiker die Zerstörung des Regenwaldes weiter voran. Die moderne ökologische Bewegung und der kritische Katholizismus könnten somit heute vermehrt zusammenfinden.
Kurt Zaugg-Ott